Der Spieler-Lebenszyklus in der NBA
Erkenntnisse aus der NBA: Wie Wearable-Technologie das Performance-Management über den gesamten Lebenszyklus der Spieler bereichert.

Wandel in der NBA
In den letzten Jahren hat sich zunehmend ein neuer Trend in der NBA abgezeichnet. Statt den Fokus auf das Draften und Traden von Spielern zu richten, um auf allerhöchstem Niveau konkurrenzfähig zu sein, haben viele Organisationen mittlerweile einen anderen Weg eingeschlagen. Der neue Ansatz legt seinen Schwerpunkt darauf, in solche Ressourcen zu investiert, die beim Aufbau und der Entwicklung des aktuell bestehenden Teams helfen können, einen konkurrenzfähigen Kader zu schaffen.
Als Beispiel lassen sich hier die Philadelphia 76ers nennen, welche vor einigen Jahren mit einem kompletten Rebuild begannen, allerdings verbunden mit regelmäßig schlechten Saisonegebnissen in den vergangenen vier Jahren. Infolge des schlechten Abschneidens erhielt Philadelphia jedoch sehr wertvolle Erstrunden-Picks, um somit ein Team für die Zukunft bilden zu können. Obwohl die 76ers auch viel Zeit und Mühe investieren mussten, um diverse Verletzungen zu bewältigen — vor allem von zuvor verletzten Top-Draft-Picks — lag der Fokus auf der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Spieler durch die Einbeziehung moderner Methoden und Technologien.
Indem die 76ers einen nachhaltigen Ansatz bei der individuellen Spielerentwicklung verfolgen, hinterfragen sie den aktuellen Status quo, wenn es darum geht, den individuellen Spieler-Lebenszyklus innerhalb der NBA bestmöglich zu managen. Ähnlich wie bei diversen anderen professionellen Sportteams haben die 76ers zunehmend Ressourcen in das Leistungs- und Belastungsmanagement investiert, was sich nun auf ihrem Weg an die Spitze bemerkbar macht.
Spieler-Lebenszyklus
Aber was genau beinhaltet ein so genannter Spieler-Lebenszyklus und wie kann das Leistungsmanagement von innovativen Technologien wie Wearable-Tracking und der Analyse der Spielerleistung profitieren?
Das folgende Konzept basiert auf zahlreichen Gesprächen mit führenden Experten der NBA. In erster Linie aber wurde es von Dr. David T. Martin (Director Performance Research & Development) und seinem Team beeinflusst, die gemeinsam versuchten, das tägliche Belastungs-Tracking der 76ers erstens zu personalisieren und zweitens zu verfeinern. Durch den stetigen Austausch von Ideen zum Leistungsmanagement, das Verfolgen neuester Entwicklungen in der Sportleistungsanalyse und das Lernen aus der Vielfalt verschiedenster Technologien in der Branche wurde sein Team zu einem der führenden Innovatoren der NBA.
Unter der Annahme, dass die Spieler mit unterschiedlichen Karrierestufen konfrontiert sind, kann die Idee eines Spieler-Lebenszyklus helfen, verschiedene Verbesserungsschwerpunkte zu identifizieren — sowohl für den Spieler selbst, als auch für das gesamte Team. Basierend auf dieser Idee beschreiben die folgenden fünf Phasen die Karriereübergänge der Spieler innerhalb des Lebenszyklus und wie tragbare Technologien das Gesamtwahrnehmung der Spielerentwicklung unterstützen können.
Übersicht der Phasen
1. Auswahl: Mannschaften wählen die Spieler nach allerlei verschiedenen Kriterien aus, z.B. nach ihrem Spielerprofil, ihren Basketballfähigkeiten, ihrer sportlichen Leistung, ihrer Gesundheits- und Verletzungshistorie, ihrem Gesamtpotenzial sowie ihrer allgemeinen Eignung für die Mannschaft und natürlich ihren Kosten. Nach der Auswahl wird ein Spieler entweder gedraftet, getradet oder als Free-Agent unter Vertrag genommen. Im Rahmen der Spielerbewertung und ‑auswahl kann die Athletenüberwachung wertvolle Erkenntnisse für die Spielerprofilierung liefern. Leistungsdaten aus College-Spielen, früheren NBA-Spielzeiten oder Leistungseinsichten vom NBA Draft Combine verbessern das Scouting von potenziellen Spielern. All diese Informationen helfen bei der entgültigen Beurteilung der Leistung eines Spielers — insbesondere der spezifischen Anpassung an den Kader und den Spielplan.
2. Entwicklung: Einmal ausgewählt, beginnen die Teams damit, ihre Spieler über Jahre hinweg zu entwickeln. Der Entwicklungsprozess erfordert Zeit und Feedback und führt idealerweise zur Verbesserung der allgemeinen Fähigkeiten, der sportlichen Leistung und der Entwicklung des Teams. Die Leistungsüberwachung von Sportlern hilft sowohl Spielern, Trainern, als auch Sportwissenschaftlern, die physischen Anforderungen des Spiels genauer zu verstehen und sowohl negative als auch positive Entwicklungen über Tage, Wochen und Monate zu identifizieren. Die Leistungsüberwachung ist daher ein schlagkräftiges Tool, um Stress und Belastungen während der gesamten Saison transparent zu managen. Darüber hinaus können detaillierte Spielerprofile zu wertvollen Referenzwerten für zukünftige Entwicklungen oder Rehabilitationssituationen kumuliert werden.
3. Wettbewerb: Spieler und Teams wollen selbstredend auf höchstem Niveau konkurrieren. Die NBA hat allen Mannschaften in den letzten vier Jahren Spielbewegungsdaten (über Second Spectrum) zur Verfügung gestellt, um die Spielerauslastung über den stressigen Verlauf von 82 regulären Saisonspielen plus zusätzliche Playoffs zu überwachen. Vergleichbare Leistungseinschätzungen von Wearables in der Praxis liefern die fehlenden Informationen, um ein vollständiges Belastungs- und Leistungsbild der Sportler zu erhalten. Wichtig ist jedoch, dass die Daten in der Praxis mit den Daten während der Spiele vergleichbar sind. Wenn letzteres umgesetzt wird, können Teams somit klügere Entscheidungen über die gespielten Minuten der Startformation, die idealen Ruhephasen und die individuellen Trainingsanpassungen treffen. Das oberste Prämisse ist stets, alle Spieler gesund und in bester Verfassung zu halten.
4. Rehabilitation: Die Verletzungsprävention und ‑rehabilitation ist einer der wichtigsten Aspekte im Lebenszyklus des Spielers und wahrscheinlich auch die offensichtlichste Phase, welche durch tragbare Technologien und den daraus resultierenden Erkenntnissen für das Leistungsmanagement erleichtert werden kann. Verletzungen gehören jedoch zu einem unvermeidlichen Teil des Spiels. Wie aktuelle Analysen zeigen, nimmt die Zahl der Verletzungen in der NBA kontinuierlich zu. Daher versuchen Teams, die beste medizinische Versorgung zu gewährleisten, um die Spieler wieder zurück ins Spiel zu bringen.
Obwohl die medizinischen Abteilungen sich der Gesundheit der Spieler im Klaren sind, geben sie diese eigentlich nur wieder für das Training frei. Indem sie es jedoch verpassen, die Lücke zwischen der Rückkehr der Spieler ins Training und das eigentliche Spielgeschehen adäquat zu füllen, müssen die Teams immer wieder mit kritischen Wiederverletzungen kämpfen. Umso wichtiger ist es daher, dass sowohl Trainer, medizinisches Personal, Sportwissenschaftler, Athletiktrainer sowie Kraft- und Konditionstrainer gemeinsam an diesen Zielen arbeiten.
Die Bedeutung dieser Thematik spiegelt sich in der Zunahme der in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter wider — die Zahl hat sich in den letzten Jahren teilweise mehr als vervierfacht.
Darüber hinaus tragen die Spieler-Tracking-Systeme dazu bei, einen ganzheitlicheren Ansatz für das medizinische und sportwissenschaftliche Personal zu schaffen, um Spieler wieder in den Spielbetrieb zu integrieren und zudem die Lücke zwischen der Rückkehr ins Training und das tatsächliche Spielgeschehen zu schließen. In der Vergangenheit war dieser Prozess ziemlich willkürlich und lediglich auf gesundem Menschenverstand aufgebaut, statt durch Daten und fundiertes Feedback solide untermauert zu werden. Modernste Wearables wie KINEXON verleihen diesem Prozess sowohl eine qualitative als auch eine quantifizierbare Ebene. Analysen wie der Längsvergleich für die Spielerprofilierung im Rahmen des Rehabilitationsprozesses oder der tägliche Vergleich von Ist- und Sollwerten helfen, Belastungsmanagement, Stress und Verzerrungen zu verstehen. Dadurch wird der Planungsprozess von Trainingseinheiten und Spielen deutlich evidenzbasierter und weniger bauchgefühl-orientiert.
5. Übergang: Innerhalb der NBA werden Spieler getradet und zwischen Organisationen transferiert. Jeder Spieler besitzt seinen persönlichen Hintergrund und persönliche Daten wie Leistungs- und Verletzungshistorie. Datenprofile der Spieler ermöglichen es Organisationen, einen reibungsloseren Transfer von einem Team zum anderen vorzunehmen. Das jüngste Beispiel des Trades von Marco Belinelli von den Atlanta Hawks zu den Philadelphia 76ers (zwei KINEXON-Kunden) zeigt, wie ein sorgfältiger Umgang mit und die Übertragung von Leistungsdaten (einschließlich der Unterstützung des Spielers) die Verletzungs- und Entwicklungshistorie des Spielers transparent halten kann. Davon profitieren sowohl der Spieler als auch der Verein: Der Spieler hat eine höhere Chance, gesund zu bleiben und sich weiterzuentwickeln, während der Ruf des Vereins steigt, indem er einen gesunden Spieler mit einem guten Profil und einer guten Dokumentation übergibt.
Wachsendes Verständnis unter den Teams
Leistungsdaten und ‑analysen können professionelle Teams dabei unterstützen, den Spielern einen reibungslosen Übergang durch die verschiedenen Etappen innerhalb des “Lebenszyklus” im professionellen Sport zu gewährleisten. Dabei verstehen die NBA-Organisationen, dass die sorgfältige Pflege ihrer wertvollsten Vermögenswerte der Schlüssel zum Erfolg ist (“Der teuerste Spieler ist der verletzte Spieler”). Teams wie die Philadelphia 76ers, Houston Rockets, Atlanta Hawks, Indiana Pacers oder die Washington Wizards haben bereits Performance-Management-Systeme implementiert, die ersten NCAA Programme (z.B. Stanford University oder St. John’s University) folgen bereits. Und die Veränderung geht weiter…
Den Vortrag von Dr. David Martin zum Thema “Using Wearable Technology to Refine the Return-To-Play Process in the NBA” auf der MIT Sloan Sports Conference 2018 finden Sie hier: